Femizide

Es gibt viele Formen der Gewalt gegen Frauen*, Inter-, Trans- und Non Binary Personen. Einen besonderen Fokus wollen wir dieses Jahr auf Femizide legen.

Der Begriff „Femizid“ oder „Feminizid“ für Tötungen von Frauen* verwendet. Es gibt unterschiedliche Definitionen dafür, was das genau umfasst. Für manche Aktivist*innen ist jede Tötung einer Frau* automatisch ein Femizid. Die amerikanische Soziologin und Aktivistin Diana Russell entwickelte die wohl bekannteste Auslegung: Frauen*, die von Männern* aufgrund ihres Geschlechts getötet werden. Der Begriff Femizide soll die Aufmerksamkeit für diese Art der Tötungsdelikte erhöhen.

Ziel von dieser Wortneuwahl war es, diese Morde als das zu benennen, was sie sind – die Tötung von Frauen* als Konsequenz der vorhandenen patriarchalen Verhältnisse. Das heißt, wir sehen diese Morde als tragischer „Gipfel“ der Ungleichheit, Unterdrückung und der systematischen Gewalt gegen Frauen*.

Denn diese Frauen*morde, herbeigeführt durch Männer*gewalt, meist aus dem nahen Umfeld, werden oft nicht beim Namen genannt. Zeitungen und andere Medien berichten von einer „Familientragödie“ oder einem „blutigen Beziehungsdrama“ und erwecken damit den Anschein, als ginge es dabei nur um private Problematiken und Einzelschicksale. Diese sind für sich gesehen zwar zu verurteilen und tragisch, jedoch konnten wir sie ja nicht verhindern, so der mediale Tenor.

Denn anstatt das Schema zu erkennen und nun intensiv über patriarchale Muster und toxische Männlichkeit in Österreich und Europa zu diskutieren, wird der Diskurs oft von rechten und rechtskonservativen Kräften vereinnahmt. Patriarchale Strukturen und Gewalt gebe es unter Österreichern höchstens vereinzelt, behauptet beispielsweise die ehemalige Richterin Edtstadler (ÖVP) – und wenn Österreicher doch mordeten, dann weil sie die Ausländer nachahmten. (die zeit)

Frauen*morde also nun als ein angeblich importiertes Problem. Diese Logik ist nicht nur rassistisch, sondern auch zu kurz gedacht. Die Zahl an Frauen*morden hatte beispielsweise 2012 und 2017 mit 36 ermordeten Frauen* das gleiche Ergebnis. Ein Blick auf die Zahlen widerlegt die These, dass Femizid in Österreich erst durch die Migrationsbewegung 2015 ein Problem geworden ist. Frauen* werden in Österreich seit 2015 von Männern* bedroht, misshandelt und ermordet. Dabei ist die Herkunft der Täter* weniger wichtig als ihr Bild von Männlichkeit. Entscheidend sind patriarchale Muster und Abhängigkeiten sowie die Erfahrungen von Gewalt im Leben, die man in Österreich kaum als bloß von außen importiert betrachten kann.
(ze.tt)

34 Frauen* wurden (bisher) 2019 in Österreich getötet und trotz all dieser alarmierenden Ergebnisse
wurde das Förderbudget des Frauenministeriums 2018 bereits um 179.000 Euro gekürzt, 2019 noch einmal um 230.000 Euro. Begründet wurde die Kürzungen zuletzt damit, dass die Mittel zu den Gewaltschutzzentren umgeschichtet würden. Tatsächlich stehen für diese Zentren, die u.a. als Anlaufstellen für Opfer von Gewalt in der Familie oder Nahem Umfeld dienen, 2019 bis zu 230.000 Euro mehr zur Verfügung.
Vertreterinnen* der Gewaltschutzzentren übten dennoch deutliche Kritik am Vorgehen der ÖVP-FPÖ Regierung. Sie haben im Juli von einem gravierenden Anstieg an Hochrisikofällen und Tötungsdelikten gesprochen und deutlich mehr Budget gefordert. Dass das Ministerium die Kürzungen bei Frauen*initiativen nun mit „Umschichtungen“ in den Gewaltschutz begründet, ist unverständlich. Ihren Angaben zufolge handelt es sich bei den zusätzlichen Mitteln nämlich nur um die vertraglich zugesicherte Inflationsabgeltung. Das Geld dient demnach hauptsächlich zur Abgeltung der steigenden Personalkosten der Opferschutzeinrichtungen. Hierbei ist erneut zu sehen, wie versucht wird, Frauen*initiativen gegeneinander auszuspielen.

Denn nötig wären etwa auch Mittel für Bewusstseinsbildung und Aufklärung. Das soll nicht in Konkurrenz zum Gewaltschutz stehen.

Daten am Rande:
2015: Gleich 31 der 55 Toten waren weiblich. Mit einem „Frauen*anteil“ von 56,36 Prozent liegt Österreich im 34-Länder-Vergleich an erster Stelle. (Mehr Frauen* als Männer* wurden sonst nur in Norwegen (14 von 25) und Slowenien (9 von 17) umgebracht) Der EU-28-Durchschnitt liegt bei 36,4 Prozent. Wie ein Vergleich mit den Jahren davor ergibt, stellt das Jahr 2015 keinen Ausreißer dar.
(kripo.at unter Berufung auf Eurostat Statistik)

Auch global machen Feminist*innen und Frauen*rechtsorganisationen seit Jahren auf die steigenden Frauen*mordraten aufmerksam. Wir wollen hier keinen Vergleich anstellen, welches Land ein „schlimmeres“ Problem mit Femiziden hat, denn wir sehen Ländervergleiche per se kritisch, da jedes Land die Zahlen anders erhebt und es braucht keine Superlative, um zu zeigen, was für ein globales Problem Gewalt an Frauen ist. Viel wichtiger ist es hingegen, sich bewusst zu machen, dass wir einen gemeinsamen Kampf kämpfen.

Zum Beispiel arbeiten vor allem zentralamerikanische, südamerikanische und mexikanische Feminist*innen seit Jahrzehnten daran, die Problematik von Femiziden aufzudecken. Sie führen Frauen*morde in unabhängigen Registern auf, begleiten die Angehörigen im Kampf mit den Behörden und versuchen, durch Proteste und Kampagnen die Gesellschaft zu sensibilisieren. Aktivist*innen und Anwält*innen sind bei ihrer Arbeit massiven Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt. 2010 wurden beispielsweise drei Menschenrechtlerinnen* aus Ciudad Juárez ermordet. In Europa bekommen wir davon erschreckend wenig mit.

In zahlreichen Ländern Nordafrikas, Zentral- und Ostasiens liegt ein weiterer Fokus der lokalen Feminist*innen auf der Bekämpfung von selektiver Abtreibung und Säuglingstötungen, also der geschlechtsspezifischen Tötung ungeborener Mädchen* und weiblicher Säuglingen. Auch diese Kämpfe bleiben größtenteils ungesehen und dienen eher als instrumentalisierte Warnung davor, „wie viel schlechter es uns nicht gehen könnte“ und dass wir zufrieden mit unsrer Situation im „sicheren“ Europa sein sollen. Aber zufrieden sind wir noch lange nicht. Wir lassen unsre Kämpfe nicht gegeneinander ausspielen. Wir wollen daran Arbeiten unsere Kämpfe- so unterschiedlich sie auch scheinen mögen- lokal und global zu verbinden. Denn der Gegner- die systematische patriarchale Gewalt- ist der gleiche.
Idee gendern a la fida

Das Sternchen soll verdeutlichen, dass es sich hierbei um ausgedachte Kategorien handelt, die aber reale und heftige Auswirkungen haben. Das Sternchen ist eine Einladung, die engen gesellschaftlich herrschenden Vorstellungen darüber, was und wie “Frauen” und “Männer” sein sollen, zu hinterfragen – z.B. das Bild, was uns als erstes in den Kopf kommt, wenn wir von “Männern” und “Frauen” lesen.