Feminismus muss antirassistisch sein!

Bevor ich mit meinem Text beginne, muss ich erklären, wer ich bin. Ich bin eine weiße Frau und Feministin. Soweit ich sehr wohl weiß, wie sich Diskriminierung aufgrund meines Geschlechts anfühlt, werde ich niemals von Rassismus betroffen sein. Deswegen ist es umso wichtiger als weiße Person die Geschichten von BI_PoC zu hören, sich bewusst zu sein, nie auslernen zu können. Dieser Text richtet sich an weiße Menschen und soll als Einführung dienen. Er ist auch ein Versuch zu solidarisieren und zu ermutigen, damit wir, jede*r Einzelne, unseren Kampf gegen Unterdrückung weltweit zu einem gemeinsamen Kampf machen können. Wir können den Kampf erst gewinnen, wenn für alle Frauen, Lesben, inter-, nonbinary- und trans Personen und alle marginalisierten Gruppen auf der Welt die Unterdrückung (kurz gesagt: jegliche Unterdrückung) ein Ende nimmt. Viele FLINT* Personen haben nicht nur täglich mit einer sexistischer Gesellschaft zu kämpfen, sondern sind Mehrfachunterdrückung ausgesetzt. Ich möchte also erinnern, wofür wir eigentlich kämpfen, und vor allem, wogegen: gegen die unterdrückende Gesellschaft, gegen diskriminierende und menschenfeindliche Haltungen und Handlungen.

Wenn wir unsere Privilegien innerhalb dieser unfreien Welt und die Wirkung derer begreifen, sie als nicht selbstverständlich wahrnehmen, verstehen wir, dass auch der Feminismus die unterdrückende, ausbeuterische Gesellschaft bestärken kann, wenn er nicht antirassistisch ist. Ich würde hinzufügen: wenn er sich nicht klar gegen Transfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung aller Menschen stellt und für die Befreiung aller unterdrückten Menschen kämpft. So wie wir in dieser Gesellschaft sexistischen und rassistischen Strukturen ausgesetzt sind, sie verinnerlicht haben und auch an uns selber feststellen können, müssen wir uns auch selber an die Arbeit machen, uns davon zu befreien. Ich glaube, wir haben doch irgendwo eine Wahl die wir bewusst (oder weniger bewusst) fällen, aber fällen müssen. Können wir uns selbst von diesen Strukturen befreien? Ich glaube, hier beginnt Feminismus, hier beginnt der Kampf.

  1. Warum „umgekehrter“ Rassismus bzw. Rassismus gegen weiße Menschen

nicht existiert:

  1. Dazu ist wichtig zu wissen: Was ist Rassismus?

Rassismus ist nicht allein die Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Religion etc. Rassismus inkludiert immer einen gesellschaftlichen, politischen oder institutionellen Machtvorteil. Rassismus ist ein tief strukturiertes Konzept, sprich als Struktur zu verstehen, welche die ungleichen Machtverhältnisse zwischen Gruppen, dessen Unterscheidungsmerkmale zum Profit einer bestimmten Gruppe (weiße Menschen) angepasst wurden, sichert. Betroffene erleben verschiede Formen von Rassismus, man spricht z.B. von anti-schwarzem Rassismus, wenn Schwarze Menschen diskriminiert werden, oder auch von anti-muslimischen Rassismus, wenn muslimische Menschen oder Menschen aus muslimischen Kulturkreisen diskriminiert werden.

  1. Woher kommt Rassismus?

Geschichtlich betrachtet stoßen wir schon in der Antike auf Rassismus. In der Geschichte und auch heute erfüllt Rassismus einen Zweck: er kreiert eine hierarchische Ordnung und Unterdrückung. Diese Unterdrückung, welche zu Gunsten der überlegenen, weißen Bevölkerung stattfand (und stattfindet), versuchte in der Geschichte stets die Unterlegenheit von BI_PoC wissenschaftlich zu belegen. Der Zweck, den Rassismus für die überlegene Gruppe hat, legitimiert in der Geschichte Sklaverei, Völkermord, Krieg und Kolonisation. Rassismus als Mittel zum Zweck, um die Unterlegenheit nicht-weißer Menschen zu sichern. Rassismus also als von Weißen erfundene und strukturierte, effiziente Form der Unterdrückung, um die weiße Vormachtstellung zu sichern.

  1. Warum der Begriff „BI_PoC“?

Hier zitiere ich die Begriffsdefinition aus dem Awareness Glossar von einem sehr empfehlenswerten Blog mit dem Namen „Wir müssten mal reden“:

BI_PoC steht für Black Indigenous _ People of Color. Der Bindestrich sagt aus, dass es nicht-weiße Menschen gibt, die sich als weder noch identifizieren. Ein Sammelbegriff für nicht-weiße Menschen. BI_PoC sein ist race* bedingt und hat nichts mit der Hautfarbe zutun. Zum Beispiel kann man helle Haut haben und dennoch BI_PoC sein. BI_PoC sind politisch und race* bedingt nicht weiß. Der Begriff “PoC” wurde erstmals von Schwarzen Aktivist*innen, wie u.a MLK in Amerika benutzt und erfunden. Im Laufe der Jahre wurde das Wort von anderen nicht-weißen und nicht-Schwarzen Menschen angeeignet. Deswegen sind zwar Schwarze Menschen mit in den Begriff einbezogen, in Bi_PoC steht der Begriff Black allerdings zusammen mit Indigenous extra, weil Schwarze und Indigene Menschen zusätzlich noch einen anderen geschichtlichen, sozialen, sozioökonomischen Hintergrund im Bezug auf das System Rassismus, Kolonialismus und co. haben.“

  1. Die Bedeutung von „White Privilege“ (englisch für weißes Privileg) und Privilegien in unserer Gesellschaft:

Wichtig: Niemand sagt, dass dein Leben als weiße Person leichter ist als das von anderen Menschen. Aber: Dein Leben wird dir durch deine Hautfarbe nicht schwerer gemacht. Bedeutet, dass man zumindest keine Probleme aufgrund der (weißen) Hautfarbe hat.

In Österreich, auch an vielen weiteren Orten der Welt, gilt Weißsein als die Norm. White Privilege bedeutet also, zu dieser Norm dazuzugehören. Es bedeutet auch, dass die Landeszugehörigkeit einer weißen Person zu Österreich vollkommen vorausgesetzt und nicht hinterfragt wird. Für nicht-weiße Menschen ist das nicht so. Als weiße Person wird man auch nicht gefragt: „Wo kommst du denn eigentlich her, also, so wirklich?“

Somit wird es auch unmöglich die Existenz von weißer Vormachtstellung (englisch: „White Supremacy“) zu bestreiten. White Privilege hat nichts mit mir zu tun oder damit wer ich bin, weder mit dir, noch damit wer du bist. Es hat viel mehr mit der Realität dieser Welt zu tun, in der nicht-weiße Menschen unterdrückt und weiße Menschen auf allen Ebenen der Gesellschaft begünstigt werden und privilegiert sind. Also soll der kritische Umgang mit „White Privilege“ nicht deine Gefühle als weiße Person verletzen, sondern uns darauf aufmerksam machen, in welcher Welt wir leben.

  1. Was versteht man unter „White Fragility“?

Übersetzt aus dem englischen bedeutet es „Weiße Fragilität“ und bezeichnet die Sensibilität oder Zerbrechlichkeit weißer Menschen, wenn sie auf ihre Privilegien oder Rassismus im Allgemeinen aufmerksam gemacht werden. Häufig hängt das mit der Haltung zusammen, welche Rassismus als ein vereinzelt auftretendes Ereignis wahrnehmen lässt. Struktureller Rassismus und die Erfahrungen von BI_PoC werden diskreditiert.

  1. Warum die Aussage „Ich sehe keine Hautfarben“ problematisch ist:

Diese Aussage, welche oft auch mit den Worten „Ich bin zu allen Menschen gleich“ getätigt wird, macht dein Privileg, sich mit Rassismus nicht tiefer oder alltäglich beschäftigen zu müssen, deutlich. Es untergräbt die Wahrnehmung und Realität nicht-weißer Menschen und Verharmlost oder ignoriert die Erfahrungen und Erlebnisse, mit denen viele Menschen täglich konfrontiert werden. Mit dieser Äußerung stellt man sich nicht gegen Rassismus, sondern verleumdet, verharmlost oder unterschätzt die strukturelle Unterdrückung welche BI_PoC täglich erleben.

  1. Was kann weißer Mensch also tun?
  • Grundlegend ist der erste Schritt, sich mit der Thematik eigenständig auseinander zu setzten, sich über die Lebensrealitäten und Wahrnehmungen von BI_PoC zu informieren. Jeder weiße Mensch sollte sich mit dem Weißsein auseinandersetzen. Frag dich selber: Was bedeutet es für mich, was bedeutet es in dieser Welt, weiß zu sein? Informiere dich eigenständig über (strukturellen) Rassismus, White Supremacy und White Fragility. Informiere dich über die Erfahrungen von Betroffenen, soweit sich Betroffene auch dazu bereit erklären! Es gibt keine Entschuldigung dafür, sich als weiße Person nicht anti-rassistisch zu engagieren!

  • Hier wird es auch wichtig, nicht nur auf den Sprachgebrauch anderer, sondern deiner selbst zu achten. Welche Worte benutzen wir, welche Aussagen werden dadurch geäußert und welchen historischen Ursprung haben bestimmte Wörter? Für manche Menschen ist es zwar nicht von großer Bedeutung, aber hier nochmal die Erinnerung: auch wenn du es nicht „so“ meinst, bestimmte Begriffe können menschenfeindlich sein. Oft geht es auch nicht darum was weißer Mensch sagt, sondern wie oder in welchem Zusammenhang weißer Mensch etwas sagt. Oder auch wenn’s nur ums Essen geht, schon mal darüber nachgedacht, dass der Chinese zu dem du gerne gehst, gar nicht aus China kommt?

  • Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich mit Betroffenen zu solidarisieren. Wenn du Zeuge von Rassismus oder Übergriffigkeit wirst, gibt es unter anderem Folgendes zu wissen: Die Polizei ist nicht für jede Person „Freund und Helfer“. Vergewissere dich immer, dass die betroffene Person damit einverstanden ist, wenn die Polizei informiert wird! Sei solidarisch und respektiere auf die Wünsche und Forderungen betroffener Personen!

  • Mach dich mit der Thematik vertraut! Folgende Bücher setzen sich mit der Thematik auseinander: „Was weiße Menschen nicht über Rassismus wissen, aber hören sollten“ von Alice Hasters, „Exit Racism“ von Tupoka Ogette, „Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche“ von Reni Eddo-Lodge und „Deutschland Schwarz Weiß“ von Noah Sow. Autorin Layla F. Saad veröffentlichte das (englische) Buch „Me and White Supremacy: Workbook“

  • Rechtsextremismus kann auf der Internetseite des Mauthausen Komitees unter „Rechtsextremismus melden“ gemeldet werden. Auch ZARA (kurz für: Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) bietet online auf ihrer Plattform die Möglichkeit, rassistische Vorfälle oder Gewalt (auch anonym) zu melden.

  • Unterstütze die Arbeit von BI_PoC! Wenn du das nächste Mal ein Buch, ein Album oder etwaigen anderen Kram einkaufst, unterstütze mit deinem Geld doch BI_PoC! Solange wir mit dem Kapitalismus leben müssen, kann man so am effizientesten BI_PoC unterstützen!
  • Autorin Fabienne Sand lässt via Instagram (@ffabae) fragen:
  1. Wie reagieren weiße Menschen, wie reagierst du als weißer Mensch, wenn du in deiner (vermeintlichen) linken Realität mit deinem rassistischen Verhalten oder Äußerungen konfrontiert wirst?

  2. Wie schwer oder leicht fällt es dir, dir deine Privilegien einzugestehen, dich selbst mit ihnen zu konfrontieren und sie selbst zu kommunizieren?

  3. Wie entgegnest du Menschen, die dich zurechtweisen oder auf Fehler aufmerksam machen?

  4. Wie kannst du dein Verhalten im Kontext der Auseinandersetzung deiner und anderer Lebensrealitäten verändern?

  5. Wie kannst du dich verhalten, um in der Auseinandersetzung so wenig Raum wie möglich einzunehmen und deine Privilegien anerkennen?

Frag dich selbst!

Ich möchte hier noch gerne Internetseiten, Blogs und Social-Media-Accounts empfehlen, welche mich durch ihre Arbeit über Themen aufklären und anti-rassistische Beiträge veröffentlichen:

Say My Name“ ist ein Projekt der Bildungszentrale politische Bildung (bpb). Das Projekt ist unter selben Namen auf Youtube und Instagram zu finden.

Fabienne Sand ist Autorin aus Berlin und unter dem Namen „@ffabae“ auf Instagram unterwegs, dort veröffentlicht sie viele Beiträge zum Thema Diskriminierung und Rassismus.

Wir müssten mal reden“ auf Instagram und im Internet zu finden. Ich zitiere: „Drei fette/mehrgewichtige I_WoC. Wir informieren. Wir schreiben. Wir sind laut.“

Ebenfalls möchte ich dazu auffordern, die Internetseite der Bildungsstätte Anne Frank, „Where Change Started“ und @truediskriminierung auf Instagram zu besuchen.

Abschließend möchte ich noch sagen:

Wenn wir über Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit oder andere Formen der Unterdrückung aufmerksam machen, sind wir nicht „zu sensibel“, aggressiv oder hasserfüllt. Wir versuchen damit den Hass und die Aggressivität dieser Welt und deren Ursprünge aufzuzeigen, zu benennen. Wir werden uns nicht damit abfinden, dass es verschiedene Meinungen gibt, wenn die andere Meinung Menschen unterdrückt und direkten, negativen Einfluss auf das Leben von Menschen haben kann. Wenn euch dies verletzt und ihr mit Wut und Hetze antwortet, wissen wir, wir haben Recht.