Mehrfachdiskriminierung von be_hinderten Flint*-Personen

In diesem Text wird be_hindert, wenn es sich auf Menschen bezieht, mit Unterstrich geschrieben, um auszudrücken, dass man durch äußere Umstände wie Gebäude oder Strukturen oder das Verhalten und die Vorurteile von anderen Menschen behindert wird.

Die geistige oder körperliche Befindlichkeit eines Menschen wird durch die Umwelt einmal als be_hindert und ein anderes Mal als nicht be_hindert eingestuft. Diese Einteilung ist aber eine, vor allem durch unsere Gesellschaft, konstruierte. Der Übergang von nicht be_hindert zu be_hindert ist aber fließend, denn auch Be_hinderung hat kein binäres Wesen, sie kann sich im Laufe eines jeden Lebens oder durch unterschiedliche Lebensräume verändern, sich auflösen oder entwickeln.

In Österreich gibt es rund 650.000 als Frauen gelesene Personen, die durch unsere normative Gesellschaft ausgegrenzt und behindert werden. Ausgegrenzt durch Intoleranz, Barrieren in der Architektur von Gebäuden oder Verkehrsmitteln, einem System, das nur zwischen gesund und defekt unterscheidet.
Als Frauen wahrgenommene be_hinderte Personen sind besonders von (sexualisierter) Gewalt betroffen. Gewalt begegnet ihnen auf persönlicher, struktureller und kultureller Ebene.
Be_hinderte Frauen, Lesben, Inter, Trans, Non-Binary *-Personen haben ein erhöhtes Risiko in Armut zu leben, weil sie öfter und länger arbeitslos sind als Nicht-Be_hinderte. Das österreichische Arbeitsmarktservice trägt zu dieser Tendenz tatkräftig bei, indem es ab Juli 2020 weniger Geld für sogenannte „schwer vermittelbare“ Arbeitssuchende investieren will. Dabei gibt es zwar Ausnahmen, jedoch nur für etwa ein Achtel der betroffenen be_hinderten Arbeitssuchenden.

Jene die es schaffen einen Platz in einer isolierten Werkstätte zu bekommen, werden weder integriert, noch bekommen sie eine angemessene Bezahlung, sie müssen sich oft mit einem „Taschengeld“ zufriedengeben und sind so, trotz Berufstätigkeit, nicht in der Lage sich selbst zu unterhalten.

Durch all diese Umstände ergibt sich Abhängigkeit. Be_hinderte Flint*-Personen sind viel zu oft auf Personen im Umfeld, meist Partner*innen, Ursprungsfamilien oder Betreuende, angewiesen.

Unter anderem, weil be_hinderte Menschen durch diese Abhängigkeit oft in ungleichen Machtverhältnissen leben müssen, sind sie eher von Objektifizierung betroffen.
Föten, bei denen eine Be_hinderung zu erwarten ist, werden von selbsternannten Lebensschützer*innen instrumentalisiert. Ihr Ziel ist das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, also die Kriminalisierung der Selbstbestimmung Schwangerer. Ihre Absicht ist es nicht, be_hinderte Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, sondern Schwangere ihrem patriarchalen Weltbild zu unterwerfen.

Organisationen wie „fairändern“, die auf die Instrumentalisierung be_hinderter Menschen zurückgreifen, gilt es sich entschieden entgegen zu stellen, denn ihr angeblicher Einsatz für be_hinderte Menschen ist widersprüchlich.

Besonders Flint*-Personen werden im Bezug auf ihre Sexualität und Reproduktion diskriminiert und bevormundet. Ein selbstbestimmtes Sexualleben, sexuelles Begehren an sich und sogar das Geschlecht wird ihnen häufig abgesprochen. Es werden aber dadurch nicht die Verhältnisse verändert und sie werden diskriminierungsfrei, nein, sie werden als Abweichung der Norm ausgegrenzt und marginalisiert.

Erst 2001 wurde in Österreich ein Gesetz geändert, das es erlaubte, be_hinderte Frauen ohne deren Einwilligung sterilisieren zu lassen. Schätzungen von Expert*innen gehen davon aus, das bis zu diesem Zeitpunkt die Hälfte aller Frauen mit Lernschwierigkeiten ohne ihr Wissen oder gegen ihren Willen sterilisiert worden sind, getarnt waren die Eingriffe häufig als Blinddarmoperationen.

Auch wenn Sterilisation heute offiziell nur mit Zustimmung der Betroffenen erlaubt ist, handelt es sich laut einem Tiroler Behindertenrechtsexperten um einen Graubereich. Auch allein durch die Zustimmung von Sachwalter*in und dem Pflegeschaftsgericht dürfen die Eingriffe weiter durchgeführt werden. Erst 2009 wurde in Tirol eine be_hinderte Frau unter Druck gesetzt, eine Einwilligung zur Sterilisation zu unterschreiben. Durch die Abhängigkeit, beispielsweise von Betreuungseinrichtungen oder Angehörigen, werden Ängste geschürt und Betroffene haben keinen Raum, offen über Erlebtes zu berichten.

Im Rahmen der deutschen Studie wurden 2012 über 1500 Frauen mit Lernschwierigkeiten befragt. Auch in Deutschland ist Sterilisation offiziell nur mit Zustimmung erlaubt, trotzdem gaben 15 Prozent an, gegen ihren Willen sterilisiert worden zu sein. 42 Prozent berichteten, dass Ärzt*innen oder Betreuende gesagt hätten, sie sollten den Eingriff durchführen lassen.

Das alles ist fürchterlich und weit entfernt von einem selbstbestimmten Leben.

Der Ist-Zustand ist inakzeptabel und kann nicht toleriert werden, wir wollen ein gutes Leben für alle!